Geliebte Heimat,
Gerade bahnen die ersten Strahlen der Sonne den Weg für einen neuen Tag. Leichter Nebel erhebt sich über die kleine Wiese, die ich von hier sehen kann. Die Vögel beginnen den Tag Willkommen zu heißen und nichts lässt auch nur annähernd anmuten wie es derzeit in allen Ecken der Welt aussieht. Dieser Friede, der hier noch herrscht ist wahrlich ein Kleinod. Die Rehe, die gerade in den Armen des Waldes vor dem Tag Zuflucht suchen wissen nichts vom Blutvergießen. Wissen nichts von dem was diese Welt heimsucht. Beneidenswert. Frei. Im Jetzt. Lange ist es her - zu lang. Findet man dieses Gefühl jemals wieder? Irgendwann? Und wann ging es verloren? Ich habe es vergessen. Zu lange her. Zu weit weg. Nur ein schwacher Funken der Erinnerung daran ist geblieben.
Beim zusammenfassen meiner Schriften wurde mir deutlich vor Augen geführt was für eine Zeit angebrochen ist. Nein - angebrochen umschreibt es nicht - denn wir sind schon mittendrin. Schon eine ganze Weile. Mein drittes Kapitel über die Einsamen Lande ist abgeschlossen und befindet sich per Boten auf dem Weg zu Euch. Das Kapitel über die Nordhöhen werde ich als nächstes angehen. Doch jedes Wort, welches meinen Federkiel verlässt bringt Erinnerungen zurück. Und mit jeder leidvollen Erinnerung wächst die Sehnsucht, dass eine bessere, friedlichere Zeit anbrechen möge. Wo jeder wieder frei wie die Vögel und unschuldig wie die Rehe sein können. Wann wird diese Zeit anbrechen? Ich spüre sie noch lange nicht kommen. Unnahbar - weit entfernt.
Ich habe mir eure letzten Wort sehr zu Herzen genommen. Und sie haben mein Herz schwer gemacht. Mir ist bewusst, dass es schmerzhaft sein kann. Und vielleicht vermittelte ich etwas falsches, denn die meiste meiner Zeit verbringe ich mit mir.
Vielleicht habe ich mich überschätzt? Der Wunsch nach einem Gefährten an der Seite, der mein Herz und meine Seele erkennt ist manchmal mehr und manchmal weniger ausgeprägt. Hier und Jetzt - in Bruchtal- fühle ich mich wohl und geborgen.
Doch ich spüre, dass die Zeit des Aufbruchs mich bald ereilen wird. Weiter ziehen. Andere Länder erkunden. Neues Schrecken und mehr Schatten erfahren. Mit jedem Abschnitt meiner Reise gerate ich tiefer hinein in eine Welt, die so anders ist als ich sie gerne erleben würde. Und um so dunkler die Schatten werden, um so schwerer ist es mein Licht wahrzunehmen. Es kostet Kraft und ich spüre genau, dass eine schwere Zeit mich erreichen wird. Und genau dann, wenn ich diese Dinge spüre, wünschte ich mir jemanden an meine Seite, der die selben Dinge spürt und wahrnimmt wie ich.
Ich werde nun langsam schon einmal beginnen zu packen. Meine wenigen Habseeligkeiten. Ich werde die nächste Zeit meine geliebten tierischen Freunde um mich sammeln. Ich hoffe sie werden mich begleiten. Ich würde es ihnen nicht verübeln, wenn sie lieber hier bleiben.
Liebster Tirbarion - wie Du meinen Worten entnimmst steht ein Besuch der Heimat vorerst nicht auf meinem Lebensweg beschrieben. Verzeih!
Grüße aus der Ferne
Damaria